Dr. Harry Lövenich-Ciccarello

Was ist MS?

Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das sind das Gehirn und das Rückenmark. Die Nerven, die zum und vom zentralen Nervensystem führen, sind von einer Schutzschicht umgeben. Diese Schutzschicht wird als Myelin bezeichnet. Myelin sorgt dafür, dass die Signale des Gehirns schnell durch die Nervenfasern geleitet werden können.
Bei MS-Patienten kommt es in dieser Schutzschicht zu Entzündungen und schließlich zu Narbenbildung. Die durch die Vernarbung verursachte Verhärtung wird als Sklerose bezeichnet. Infolgedessen können die Signale des zentralen Nervensystems nicht richtig an die Muskeln oder Organe weitergeleitet werden.
MS wird in der Regel bei Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren diagnostiziert. Die Krankheit ist bei Frauen fast doppelt so häufig wie bei Männern.

Was sind die Symptome von MS?

Da die Nervensignale nicht mehr richtig weitergeleitet werden, können Menschen mit MS alle möglichen Symptome entwickeln. Welche Symptome auftreten, hängt davon ab, wo im Gehirn die Schädigung auftritt. Daher sind die Symptome und Anzeichen von MS sehr unterschiedlich. Viele der Symptome treten auch bei anderen Krankheiten auf. Häufig vorkommende Beschwerden sind Gefühlsstörungen, Koordinationsstörungen oder Sehstörungen. Außerdem können vage Beschwerden wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen auftreten. Die Kontrolle über die Blasen- und Darmfunktion kann verloren gehen und zu Inkontinenz und verstärktem Harn- und Stuhldrang führen.

Ein Rückfall

MS beginnt in der Regel mit innerhalb weniger Tage zunehmenden Symptomen. Dies wird als MS Schub bezeichnet. Ein Schub dauert mehrere Tage oder Wochen. Danach kommt es zur Genesung, aber manchmal bleiben Restsymptome zurück. Langfristig ist es wichtig dem Auftreten von Schubs vorzubeugen. Während eines Schubs können beispielsweise die folgenden Beschwerden auftreten:
  • Augenprobleme wie verschwommenes Sehen meist auf einem Auge oder Doppeltsehen
  • Gefühlsstörungen in Armen oder Beinen wie Kribbeln oder ein taubes Gefühl
  • Gleichgewichtsstörungen und Ungeschicklichkeit in der Bewegung
  • Muskelschwäche in Armen und Beinen
  • undeutliche Sprache
 

Chronische Beschwerden

Neben der Symptome bei einem Schub können auch schleichende und anhaltende Beschwerden auftreten wie
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Stimmungsstörungen
  • Schmerzen
  • Blasen- und Darmprobleme
  • Sexuelle Funktionsstörungen wie Erektionsstörungen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Was verursacht MS?

Die genaue Ursache von MS ist noch unbekannt. Klar ist jedoch, dass MS mit einem fehlgesteuerten Immunsystem zu tun hat. Es handelt sich um eine Autoimmunkrankheit. Das bedeutet, dass das körpereigene Immunsystem nicht nur gegen Viren, Bakterien und Infektionen vorgeht, sondern auch gegen gesundes Gewebe wie bei MS die Nerven und das Myelin des Gehirns und des Rückenmarks angreift. Wir wissen auch, dass Umweltfaktoren Einfluß haben auf die MS, beispielsweise ist Rauchen auch für den Verlauf von MS schädlich. Wenn Menschen in Ihrer Familie an MS erkrankt sind, ist die Wahrscheinlichkeit etwas größer, dass Sie ebenfalls erkranken.

Wie wird die Diagnose MS gestellt?

Es ist wichtig, dass MS so früh wie möglich diagnostiziert wird, damit auch schnell mit der Behandlung begonnen werden kann. Wird die Behandlung schnell und frühzeitig eingeleitet, wirkt sie in der Regel besser. Es kann lange dauern, bis man sicher weiß, ob eine Person MS hat. Einige Symptome treten auch bei anderen Krankheiten auf. Daher könnte Ihr Arzt zunächst an etwas anderes als MS denken. Wenn Ihr Hausarzt  glaubt, dass Sie MS haben, wird er Sie zu einem Neurologen schicken. Bislang gibt es keine Blutuntersuchung oder andere Untersuchung die  direkt zeigt, ob jemand MS hat oder welche Art von MS vorliegt.

Die Diagnose MS wird nach Beurteilung der folgenden Untersuchungen gestellt:

  • die Symptome und der Verlauf der Krankheit
  • die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung
  • zusätzliche Untersuchungen wie Bluttests, eine MRT-Untersuchung von Gehirn und Rückenmark und manchmal eine Lumbalpunktion

Mittels dieser Untersuchung werden auch andere Ursachen für die Symptome ausgeschlossen.

Zusatzuntersuchungen

MRT

Mit einem MRT werden Bilder des Gehirns und des Rückenmarks erstellt. Auf diesen kann der Arzt die Schädigungen erkennen, die MS-Symptome verursachen. Wenn der Verdacht auf MS besteht, wird bei einer MRT-Untersuchung häufig ein Kontrastmittel verwendet. Dadurch können neue, aktive Entzündungen auf dem MRT noch besser erkannt werden.

Lumbalpunktion

Bei der Punktion zwischen den Lendenwirbeln im Rücken wird etwas Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Dieser wird auf bestimmte Eiweisse untersucht, die bei MS häufig auffällig sind.

Blutabnahme

Die Blutabnahme dient vor allem dem Ausschluss anderer Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen können. Leider kann durch eine Blutuntersuchung die Diagnose MS nicht gestellt werden.

Welche Formen von MS gibt es?

MS verläuft bei jedem Patienten anders. Es gibt 3 Hauptformen von MS.

Schubförmig remittierende MS (RRMS)

Dies ist die häufigste Form der MS. Bei dieser Form können Verschlechterungen (Schübe, in Englisch: relapses) auftreten, die sich dann wieder bessern. Diese Form wird relapsing-remitting MS (RRMS) genannt. Etwa 85 % der Menschen, bei denen MS diagnostiziert wird, haben diese Form.

Sekundär progrediente MS

Nach Jahren in der schubförmigen Phase ändert sich der Verlauf bei manchen Menschen allmählich. Die Symptome verschwinden nicht mehr und nehmen im Laufe der Jahre schleichend zu ,und Schübe treten immer seltener auf. Diese Phase heisst sekundär progrediente MS.

Primär progrediente MS

Bei etwa 15 % der MS-Patienten tritt diese langsam fortschreitende Verschlechterung von Anfang an auf. Die Symptome treten nicht schubförmig auf und verbessern sich auch nicht mehr. Diese Verlaufsform heißt primär progrediente MS.

Welche Behandlungs­möglichkeiten gibt es für MS?

Es gibt noch keine Behandlung, die MS heilt. Es gibt jedoch Medikamente und Therapien, die die Zahl der Schübe und auch die daraus resultierenden Schäden verringern können. Außerdem gibt es für alle Formen von MS Möglichkeiten zur Behandlung der Symptome. Nicht jeder MS-Patient beginnt sofort mit der Behandlung. Dies hängt unter anderem von der Anzahl der Schübe, den Symptomen und der MRT-Untersuchung ab. Die Behandlungsmethoden für MS haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Einige Medikamente wirken zwar gut gegen MS, haben aber potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen. Daher werden zunächst häufig Medikamente mit milderen Nebenwirkungen gewählt. Wenn die MS sehr aktiv ist oder diese erste Therapie nicht anschlägt, muss manchmal eine effektivere Therapie gewählt werden. Diese Medikamente sind noch wirksamer bei der Vorbeugung von Schüben, bergen aber auch größere Risiken. Neben Medikamenten, die den Krankheitsverlauf beeinflussen, gibt es auch Arzneimittel, die zur Linderung von Symptomen wie Muskelkrämpfen, Beschwerden des Wasserlassens und Stuhlgangs oder zur Behandlung von Müdigkeit eingesetzt werden. Neben der medikamentösen Behandlung ist oft auch die Behandlung durch einen Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Logopäden wichtig. Manchmal ist der Einsatz von Hilfsmitteln wie Schienung der Unterschenkel oder ein Rollator notwendig.

Muss ich mein Leben mit MS anpassen?

Menschen, bei denen MS diagnostiziert wird, stehen oft noch mitten im Leben, sind berufstätig und haben eine junge Familie. Vor allem die Müdigkeit kann die Leistungsfähigkeit und auch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Einige Situationen können zu einer zeitlichen Verschlechterung der Symptome führen, beeinflußen aber nicht den Verlauf der MS körperlich intensive Anstrengung  Hitze im Sommer oder in der Sauna Infektionen wie z.B. ein Harnwegsinfekt